Ministerpräsident Winfried Kretschmann besuchte am Donnerstag unsere Baustelle in Leonberg.

Wir führen die Arbeiten im Bereich Infrastruktur und Außenanlagen aus und sind stolz, bei einem solch innovativen Projekt zur Klimaneutralität des Landkreises mitzuwirken.

Vor der Vergärungsanlage in Leonberg steht eine Menschentraube und wartet gespannt auf Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Der macht am Donnerstag eine Tour durch den Kreis Böblingen und schaut sich dabei unter anderem an, was hier für mehr Klimaschutz getan wird. Auf seinem Programm: die Leonberger Vergärungsanlage und die ehemalige Mülldeponie Dachsklinge bei Sindelfingen. Beide Standorte sollen eine entscheidende Rolle bei der klimaneutralen Produktion von Strom und Wärme spielen.

Um 14.50 Uhr trifft der Ministerpräsident zusammen mit Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) bei der Vergärungsanlage ein. Noch kurz zuvor stand er mit Berufsschülern in Leonberg in der Küche und hat Gebäck zubereitet. Jetzt steigen ihm weniger angenehme Gerüche in die Nase. Bioabfälle schicken ihre Duftschwaden herüber. Doch der Ministerpräsident rümpft darüber nicht die Nase, im Gegenteil: Er zeigt sich beeindruckt. Denn zusammen mit der sogenannten Energiedrehscheibe Nord auf der Dachsklinge bei Sindelfingen entsteht ein Projekt, das zukunftsweisend sein könnte.

Die Vergärungsanlage, die nach einem großen Brand 2019 aktuell wiederaufgebaut wird, soll ab 2025 über eine 3,5 Kilometer lange Leitung Rohbiogas zur Dachsklinge schicken. Dort soll das Rohbiogas zu erdgasähnlichem Biomethan aufbereitet und danach zum Heizen oder als Treibstoff verwendet werden. „Ich halte das Biomethan-Projekt für wegweisend“, wird Kretschmanns Urteil am Ende lauten. Anklang findet bei ihm auch der Aspekt, dass der Kreis Böblingen mit dem Kreis Esslingen kooperiert, um die entsprechende Masse für die Produktion von Biogas zu erreichen. Von den Bioabfällen werden voraussichtlich 39 000 Tonnen aus dem Kreis Böblingen und 21 000 Tonnen aus dem Kreis Esslingen stammen.

 Lob gibt es auch von Umweltministerin Thekla Walker. Sie bezeichnet das Vorhaben als „beispielhaft, weil hier verschiedene Komponenten zusammenwirken.“ Denn die Energiedrehscheibe sieht nicht nur die Aufbereitungsanlage für Biomethan vor. Kohlenstoffdioxid, das bei diesem Umwandlungsprozess entsteht, soll verflüssigt und an die Industrie verkauft werden.

Solaranlagen auf der Dachsklinge und – wenn möglich – auch Windkraftanlagen liefern den dafür nötigen Strom und versorgen darüber hinaus Haushalte in Sindelfingen. Selbst für die Reste, die bei der Produktion von Biogas entstehen, gibt es eine Lösung. Diese kommen laut Wolfgang Bagin, Geschäftsführer der Bioabfallverwertung GmbH Leonberg (BVL), als Qualitätskompost zurück zu den Bürgern. Als Kostenpunkt für Vergärungsanlage, Biomethanaufbereitungsanlage und CO2 -Verflüssiger nennt er 53 Millionen Euro, eine Förderung vom baden-württembergischen Umweltministerium über 960 000 Euro gibt es beispielsweise für die CO2 -Verwertung.

Eine Station weiter, auf der Dachsklinge, macht Karl Peter Hoffmann, Geschäftsführer der Stadtwerke Sindelfingen, auf ein anderes Problem aufmerksam. Denn auf der Energiedrehscheibe ist zusätzlich noch ein Biomasseheizkraftwerk geplant. Allerdings müssten dafür 0,8 Hektar Wald gerodet werden. Hoffmann würde sich hier ein stärkeres Entgegenkommen der Behörden wünschen.

Eine weitere Herausforderung, die Landrat Bernhard mehrfach zur Sprache bringt, ist das Thema Flugsicherung. Sie stellt aus seiner Sicht die größte Hürde beim Bau von Windrädern dar, die – geht es nach Wunsch der Projektverantwortlichen – ihren Anteil am Strommix der Energiedrehscheibe liefern sollen.

 Das Fazit von Kretschmann fällt am Ende positiv aus. Es sei wichtig, dass beim Thema Klimaschutz alle Ebenen an einem Strang ziehen. „Es ist gut, wenn Kreise eigenständig vorweg gehen und Projekte entwickeln.“ Denn: „Der Klimawandel kommt, sogar schneller als von der Wissenschaft prognostiziert.“ Er nehme von seinem Besuch mit, dass der Kreis den Weg in die Klimaneutralität ernst nehme mit einem „innovativen und intelligenten Konzept.“

 

Quelle: Stuttgarter-Zeitung - Anke Kumbier // Foto: Eibner-Pressefoto/Roger Bürke